Fit bis ins hohe Alter
Es ist ein ungewohntes Bild: In einem Trainingsraum mühen sich Menschen gesetzten Alters an unterschiedlichen Kraft- und Fitnessgeräten ab. Mit von der Partie ist die 92-jährige Verena. Als sie nach einer gebrochenen Schulter Physiotherapie brauchte, entdeckte sie die Medizinische Trainingstherapie (MTT) des Kantonsspitals Baselland (KSBL). Das war vor über 20 Jahren. Seither trainiert sie eisern zweimal in der Woche. «So kann ich meine Muskelkraft erhalten und sogar verbessern. Ich kann das nur empfehlen, denn es verleiht einem mehr Sicherheit im Alltag.» Dass die fitte Dame dabei auch noch einen schönen Ausblick in den Garten, nette Leute und hilfsbereite Physiotherapeuten um sich herum hat, freut sie zusätzlich.
Physiotherapeut Marcel Eschbach ist seit sieben Jahren verantwortlich für die MTT am Standort Bruderholz. Er freut sich über die Beliebtheit dieses Angebots. «Viele sind ehemalige Patientinnen oder Patienten, die seit vielen Jahren regelmässig trainieren. »
Wie zum Beweis steigt die 76-jährige Ursula auf ein Airpad, um sich in Balance zu üben. Nachdem das klappt, geht sie noch einen Schritt weiter. Sorgfältig platziert sie ihre Füsse auf einem Sypoba, also einem Balance Board, und rollt damit hin und her. «Als ich das bei jemandem zum ersten Mal sah, hätte ich nie für möglich gehalten, das hinzukriegen. Ich wagte es aber und habe heute eine Riesenfreude daran», berichtet sie stolz. Das Erfolgserlebnis ist das eine; Ursula betont, dass sie dank dieses Trainings mehr Gangsicherheit gewonnen hat. «Was ist wichtiger im Alter, als nicht umzufallen?» Früher habe sie Probleme mit der Schulter und Hüfte gehabt, aber seit sie regelmässig trainiere, gehe es dem ganzen Körper besser. Entdeckt hat dieses Angebot ihre 86-jährige Schwester nach einer Hüftoperation vor 13 Jahren. Mit der Zeit gesellten sich Partner und weitere Bekannte dazu. Sie alle reisen in einer Fahrgemeinschaft von Hofstetten ins Training.
Familiär und kompetent begleitet
Jeden Dienstag trifft sich eine verschworene Gruppe älterer Bewegungsfreudiger. «Die meisten der Dienstagsgruppe haben sich hier kennengelernt und organisierten sich während Corona selber, da sie nur zu zehnt trainieren durften.» Daraus entstand eine enge Seilschaft. Die Stimmung ist locker, man duzt sich und tauscht sich aus.
Mit von der Partie ist Ernst, der nach einer gravierenden Krankheitsepisode, in der sein Leben an einem dünnen Faden hing, auf den Geschmack kam. Dass er heute so fit sei, komme einem Wunder gleich. «Ich bleibe eisern dran. Für mich ist es ein Must, regelmässig zu trainieren.» Sagt es und zieht wacker 25 Kilo Gewicht in die Horizontale.
Die Vielfalt im MTT ist gross. Nebst etlichen Kraftgeräten stehen mehrere Möglichkeiten für das Balancetraining zur Verfügung. Im hinteren Bereich des Fitnessraums steht ein Re-Dance-Gerät, mit dem zu Musik getanzt und so die Koordination und Standsicherheit gefördert werden kann. Ein sogenannter Sensopro bietet weitere Varianten für Gleichgewichtsübungen.
Auf die Frage, ob jemand sportlich sein müsse, um mitmachen zu können, winkt der Physiotherapeut ab. «Nein, man kann und soll jederzeit mit dem Training beginnen, denn wer rastet, der rostet.» Aus Erfahrung weiss er, dass viele Betagte denken, nichts mehr bewirken zu können. Das Gegenteil sei der Fall: «Ohne Training wird es schlimmer. Der Muskelerhalt und die Koordination sind das A und O im Alter, denn so können Stürze verhindert werden.» Das sei ein Riesenthema, weil die Gesellschaft immer älter werde, und die Folge davon seien mehr Stürze. «Deshalb ist es wichtig, Senioren davon zu überzeugen, dass man auch im höheren Alter etwas bewirken und Erfolgserlebnisse haben kann.»
Ein zweimaliges Training pro Woche sei ideal und am Anfang solle man sachte beginnen. «Ideal ist ein abwechslungsreiches Training, bei dem nicht nur Gewichte gestemmt, sondern auch Gleichgewicht und Koordination trainiert werden.» Diese könne man auch gut zuhause machen, beispielsweise, indem man beim Zähneputzen auf einem Bein balanciere.
Der erfahrene Physiotherapeut staunt immer wieder, wie sich auch über Achtzigjährige auf neue Herausforderungen einlassen. «Es ist ein Genuss zu erleben, wie sich beim Training sichtliche Veränderungen zeigen.»
Selbst wenn jemand unter starker Arthrose leide, sei gezieltes Training wichtig. Dafür bietet das KSBL das Spezialprogramm GLAD an. Diese spezifischen Übungen sind insbesondere bei Kniearthrose erfolgreich. Studien zeigen: Wird konsequent Stabilität und Kraft aufgebaut, können Operationen hinausgezögert werden. «Mit dieser Prävention können massiv Folgekosten eingespart werden», betont Marcel.
Fit bleiben & Stürzen vorbeugen
Das MTT-Angebot des KSBL bietet ein vielfältiges Trainingsprogramm unter Aufsicht von Physiotherapeutinnen und -therapeuten an. Die Variation der Geräte ist auf die Bedürfnisse von Senior/innen ausgerichtet und es herrscht eine familiäre Atmosphäre. Nebst der Erhaltung der Gesundheit spielt der soziale Aspekt eine grosse Rolle. Das Jahresabo kostet 650 Franken.
Dieser Beitrag ist im Dezember 2023 im Magazin Regio aktuell erschienen.