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30.11.2022

Füsse in Gefahr - diabetische Polyneuropathie

Wenn man die Füsse nicht mehr spürt, aber dauernd Verletzungen hat: Diabetes kann zu einer Störung der Nervenfunktion führen. Regelmässige Fusskontrolle hilft. Vor allem aber gilt es, den Diabetes bestmöglich zu behandeln.

Die Sommerferien waren vorbei. Aber die Wunde am Fuss, die sich Manfred Wyler (Name geändert) am Strand zugezogen hatte, war immer noch nicht verheilt. Schmerzen hatte der 63-Jährige nicht, aber als Schüttelfrost hinzukam, suchte er die Fusssprechstunde am Kantonsspital Baselland (KSBL) auf.

Der Schmerz fehlt

Seine Füsse regelmässig nach Verletzungen abzusuchen, ist in der Tat einer der wichtigsten Ratschläge, die Dr. Barbara Felix, Leitende Ärztin in der Abteilung Endokrinologie & Diabetologie des KSBL, ihren Diabetespatientinnen und -patienten mitgibt. Denn Diabetes kann die Nervenbahnen insbesondere in den Beinen angreifen. Etwa ein Drittel der Diabetesbetroffenen entwickeln im Lauf ihres Lebens eine solche diabetische Polyneuropathie. Die Erkrankung kann sich auf zwei Arten äussern. Einige Betroffene klagen über starke Schmerzen – ihnen kann vielleicht die Neuromodulation helfen (siehe Interview). Bei der Mehrheit der Erkrankten hingegen ist die Schmerzempfindung stark verringert, vor allem in den Füssen. Entsprechend verletzen sie sich, ohne es zu merken. Im schlimmsten Fall kann eine Fussamputation nötig werden – etwa wegen einer Blutvergiftung.

Regelmässige Fusskontrolle

Zu verhindern, dass es so weit kommt, ist das Ziel von Barbara Felix und ihrem Team mit Fachpersonen aus Diabetesberatung, Orthopädietechnik, Podologie und Wundbehandlung. Ihre interdisziplinäre Fusssprechstunde richtet sich vor allem an Diabetespatientinnen und -patienten. Ganz wichtig ist die Kontrolle des Schuhwerks: «Die meisten Probleme entstehen, weil die Betroffenen ungeeignete Schuhe tragen oder etwa Fremdkörper wie einen Stein im Schuh nicht spüren», sagt Barbara Felix.

Prävention ist das A und O

Prävention ist zentral, um eine Schädigung der Nerven zu verhindern. Denn die Gefahr einer Polyneuropathie und anderer Folgeerkrankungen ist umso grösser, je länger ein Diabetes besteht und umso schlechter der Stoffwechsel durch Ernährung und Medikamente kontrolliert ist. Manfred Wyler hatte Glück: Seine Wunde konnte gut versorgt werden und ist verheilt. Seither achtet er mehr auf seine Füsse – und nimmt die Therapie seines Diabetes ernster.  

«DIE MEISTEN PROBLEME ENTSTEHEN DURCH DIE SCHUHE.»

Diabetische Polyneuropathie

Die Ursache dieser Störung der Nervenfunktion ist nicht restlos geklärt. Der zu hohe Zuckergehalt im Blut schädigt vermutlich die Nerven und die Blutgefässe, die die Nerven versorgen. Die Beschwerden zeigen sich vor allem in den Füssen – von Kribbeln über Gefühllosigkeit bis zu starken Schmerzen. Es können aber auch innere Organe wie das Herz betroffen sein. 

 

«Eine wertvolle neue Behandlungsoption»

Verläuft eine diabetische Polyneuropathie schmerzhaft, finden Patientinnen und Patienten Hilfe in der Klinik für Schmerztherapie. Chefarzt Dr. Bijan Cheikh-Sarraf über die Neuromodulation als neue Behandlungsmöglichkeit.

Dr. Cheikh-Sarraf, wie geht es den Betroffenen, die wegen einer schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie Ihre Hilfe aufsuchen?

Sie haben meist sehr starke Schmerzen und oft schon einen langen Leidensweg hinter sich. Wir schauen zuerst, welche Therapien noch nicht erprobt wurden – von Medikamenten über Physiotherapie bis zu Komplementärmedizin. Wobei gewisse Medikamente so starke Nebenwirkungen haben, dass die Betroffenen darauf verzichten. Wichtig ist auch Verhaltenstherapie, die hilft, mit dem Schmerz umzugehen.

Mit der Neuromodulation steht jetzt eine weitere Therapiemöglichkeit zur Verfügung. Wie sieht diese aus?

Neue Studien haben gezeigt, dass die seit etwa 30 Jahren existierende Neuromodulation auch bei diabetischer Polyneuropathie hilft. Dabei wird den Betroffenen ein Implantat eingesetzt, das elektrische Impulse ans Rückenmark abgibt. Damit werden die Schmerzimpulse zum Beispiel aus den Füssen und Beinen blockiert oder zumindest gehemmt. Wir setzen diese Therapieform bereits bei anderen Schmerzerkrankungen ein und erzielen gute Resultate damit.

Für wen ist die Neuromodulation geeignet?

Rund die Hälfe der Betroffenen mit einer schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie spricht nicht auf andere Therapien an. Für sie kann die Neuromodulation eine wertvolle neue Option sein. Dabei findet immer eine Testphase statt, bevor das Implantat eingesetzt wird. So sehen wir, ob die Behandlung funktioniert. Auch die Neuromodulation ist nicht für alle Betroffenen geeignet. In jedem Einzelfall gilt es sorgfältig zu klären, was die richtige Behandlung ist.  

«WICHTIG IST AUCH VERHALTENSTHERAPIE, DIE HILFT, MIT DEM SCHMERZ UMZUGEHEN.»

Diabetes – interdisziplinär behandelt

Das KSBL bietet nach hausärztlicher Zuweisung verschiedene Sprechstunden und Beratungen im Bereich Diabetes. Die Behandlung einer diabetischen Polyneuropathie erfolgt interdisziplinär. Nach einer umfassenden medizinischen Abklärung behandelt das Team der Fusssprechstunde am Standort Bruderholz die Betroffenen. Dabei werden bei Bedarf auch Fachpersonen aus Infektiologie, Angiologie

Kantonsspital Baselland

Endokrinologie & Diabetologie
Tel. +41 (0)61 436 27 19
diabetesberatung.bruderholzksbl.ch
www.ksbl.ch/diabetologie

Klinik Schmerztherapie
Tel. +41 (0)61 436 52 50
schmerztherapieksbl.ch
www.ksbl.ch/schmerztherapie


Der Beitrag ist im Gesundheitsmagazin medizin aktuell des KSBL erschienen.

E-Paper medizin aktuell

Dr. med. Barbara Felix

Fachärztin für Endokrinologie-Diabetologie / Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin
Leitende Ärztin

Tel. +41 61 436 27 08

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