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23.11.2021

Palliative Care: Den Tagen mehr Leben geben

Zuweisende
Im Kantonsspital Baselland (KSBL) werden jährlich rund 300 schwerkranke Menschen palliativ mitbetreut. Verschiedene Berufsgruppen arbeiten zusammen, um ihre Symptome zu lindern und ihnen in der jeweiligen Situation eine höchstmögliche Lebensqualität zu ermöglichen.

Palliative Care umfasst Massnahmen, die unnötigen Leiden und Komplikationen bei schwerkranken Menschen vorbeugen. So auch bei einer Patientin des KSBL, die mit 65 eine alles verändernde Diagnose erhielt: Sie hatte Krebs, und der Tumor hatte in ihrem Körper schon stark gestreut. Das Behandlungsteam zog von Anfang an den palliativen Konsildienst bei. Die leitende Ärztin Christine Zobrist besuchte die Patientin gemeinsam mit einer Pflegefachkraft auf der Station und sprach die Patientin auf ihre Beschwerden an. Ihr Spezialgebiet stellte die Medizinerin nicht gleich in den Vordergrund. Denn sie weiss aus Erfahrung: «Es erschreckt die Menschen manchmal, wenn sie ‹palliativ› hören.» Viele denken dann, sie seien hoffnungslose Fälle und man könne nichts mehr machen. Doch das Gegenteil treffe zu. Wichtigstes Therapieziel sei, für Menschen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen oder chronisch fortschreitenden Erkrankungen eine möglichst gute Lebensqualität zu bewirken. Bei dieser Patientin gelang es zunächst, ihr die quälende Schlaflosigkeit zu nehmen. Das schuf Vertrauen für die weitere Begleitung. Stations- und Palliativteam arbeiteten Hand in Hand. Während das Stationsteam die Grunderkrankung in Schach zu halten versuchte, behandelte das Palliativteam die Atemnot der Patientin, wobei auch die Physiotherapie einbezogen war. Gemeinsam mit der Psychoonkologie leistete das Palliativteam der Patientin Beistand, wenn sie mit dem Schicksal rang. Und es bereitete mit ihr, den Angehörigen und der spitalexternen Onkologie- und Palliativpflege Baselland (SEOP BL) die Rückkehr nach Hause vor.

Dr. med. Christine Zobrist
Fachärztin für Innere Medizin, Palliativmedizin
Leitende Ärztin Palliativmedizin


Christine Zobrist absolvierte den Studiengang Palliative Care am King’s College und am St Christopher’s Hospice in London. 2014 schloss sie diesen mit dem Master of Science erfolgreich ab. Seit November 2019 ist Dr. Zobrist zudem Trägerin des Fähigkeitsausweises «Interdisziplinärer Schwerpunkt Palliativmedizin». Klinische Erfahrungen in Palliative Care sammelte sie im Hospiz im Park in Arlesheim und am Universitätsspital Basel. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet sie nun im KSBL.

Wichtig: das Zuhören 

«Palliative Care blickt ganzheitlich auf die Menschen», hält die leitende Ärztin fest. Deshalb sei sie interdisziplinär ausgerichtet. Neben Medizin, Pflege, Physiotherapie und Psychoonkologie wirken weitere Berufsgruppen wie der Sozialdienst, die Ernährungsberatung oder die Seelsorge mit. Die Betreuung wird laut Zobrist an den Beschwerden und Bedürfnissen der erkrankten Personen ausgerichtet. Am besten sei es, dies von den Menschen selber in den eigenen Worten zu erfahren: «Die Patientengeschichte zu hören hilft uns, einen Behandlungsplan masszuschneidern.» Die Palliative Care erkenne so, was die Erkrankten belaste und ängstige, was für sie unterstützend sei – und wie sie die verbleibende Zeit gestalten möchten. Es gehe nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben: Das sagte die Pionierin der Palliativmedizin, die Britin Cicely Saunders. In dem von ihr gegründeten St Christopher’s Hospice in London absolvierte Christine Zobrist einen Teil ihrer Palliative-Care-Ausbildung. Nun beschreibt sie, wie der palliative Grundsatz auch bei jener KSBL-Patientin zum Tragen kam. Die Frau wünschte sich, mit dem Ehemann Zeit in der Ferienwohnung zu verbringen und ihren Hund um sich zu haben. Das konnte dank umsichtiger Organisation der gesundheitlichen Versorgung erfüllt werden. Ein Jahr nach der Diagnose verstarb die Patientin in einem Hospiz. Christine Zobrist sagt: «Sie erlebte trotz schwerer Erkrankung im letzten Lebensjahr auch gute und wertvolle Momente.»


Patientenverfügung – gut zu wissen

Wie will ich medizinisch behandelt werden, falls ich nach einem Unfall oder wegen einer Erkrankung nicht mehr selber entscheiden kann? Das lässt sich in einer Patientenverfügung festlegen. Bei Urteilsunfähigkeit sei es für ein Behandlungsteam wichtig, auf möglichst klar formulierte Vorstellungen zurückgreifen zu können, sagt Tatjana Weidmann-Hügle. Die Leiterin Klinische Ethik am KSBL rät indes davon ab, eine Patientenverfügung allein im stillen Kämmerlein auszufüllen. Wie Erfahrungen aus der Praxis zeigten, würden dann häufig unklare oder widersprüchliche Dinge festgehalten. Sie empfiehlt, sich im Hinblick auf eine Patientenverfügung fachlich begleiten zu lassen. Das könne bei der Hausärztin oder dem Hausarzt geschehen. Oder bei Organisationen, die eine sogenannte gesundheitliche Vorausplanung durch dafür ausgebildete Beraterinnen und Berater anbieten, wie Pro Senectute und die Krebsliga. Auch wenn man schriftlich nichts festlegen möchte, sei es sinnvoll, sich Gedanken zu den eigenen Wertvorstellungen zu machen, sagt Tatjana Weidmann. Denn wer sich nicht äussere, überlasse die Verantwortung für den Entscheid den Angehörigen: «Das kann für diese eine ungeheure Belastung sein.»

Mehr Informationen finden Sie unter: www.ksbl.ch/ethik

Dr. sc. med. Tatjana Weidmann-Hügle, M.A. (USA)
Leiterin Klinische Ethik

Tel. +41 61 925 38 86
Mail

Der Beitrag ist im Magazin «medizin aktuell», Ausgabe Nr. 8, November 2021, erschienen.

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