Urininkontinenz
Reizblase, tröpfeln, nass werden bei Anstrengung. Knapp ein Drittel aller Frauen und jeder zehnte Mann ab 40 hat Probleme, die Blase zu kontrollieren. «Es ist für die Patientinnen und Patienten ein Albtraum, sich unterwegs in die Hose zu machen», erzählt Stephan Kiss, Urologe am Kantonsspital Baselland (KSBL). Wer dauernd unter Drangbeschwerden leide, richte seine Aktivitäten zwingend nach der Erreichbarkeit von Toiletten aus. Dies schränkt die soziale Bewegungsfreiheit und die Lebensqualität massiv ein.
Grosser Leidensdruck
«Es ist unmöglich, beim Einkassieren jede halbe Stunde zur Toilette zu gehen», klagt etwa eine Detailhandelsfachfrau. Sie gehört zu jenen Patientinnen ab Mitte dreissig, die infolge ihrer Geburten unter ungewolltem Harnverlust leiden. Häufig davon betroffen sind auch Frauen in der Menopause. Belastungsinkontinenz betrifft ab 65 Jahren bis 20 Prozent der Frauen. Hier wird das Vermeiden von körperlicher Anstrengung zur Herkulesaufgabe: Spontan lachen oder die Enkelkinder hochheben – ständig gilt es, einen peinlichen «Unfall» zu vermeiden. Bei den Männern ist laut Stephan Kiss meist eine gutartige Prostatavergrösserung die Ursache für Blasenbeschwerden; möglich sind aber auch Tumore der Prostata oder der Blase sowie neurologische Grunderkrankungen, die Drangbeschwerden mit unkontrolliertem Urinverlust verursachen können.
Je früher die Diagnose, desto besser
Betroffene warten oft mehrere schwierige Jahre, bis sie ihr Blasenleiden medizinisch abklären. «Urininkontinenz ist leider ein grosses Tabu», sagt Urogynäkologe Yves van Roon. «Doch je früher Blasenbeschwerden diagnostiziert werden, desto rascher lassen sie sich therapieren.» Erste Ansprechpersonen sind Hausärztinnen und Hausärzte sowie die Fachärztinnen und -ärzte der Gynäkologie und Urologie. Für die Diagnose werden Trinkund Entleerungsgewohnheiten erhoben, ferner gehören dazu die körperliche Untersuchung, eine Blut- und Urinanalyse sowie eine Ultraschalluntersuchung von Blase und Harnwegen. Je nach Beschwerdebild sind aber auch vertiefende Abklärungen wie eine Blasenspiegelung oder eine Blasendruckmessung notwendig.
«Je früher eine Urininkontinenz diagnostiziert ist, desto erfolgreicher lässt sie sich behandeln.»
Dr. med. Yves van Roon
Urininkontinenz
Urininkontinenz betrifft Frauen und Männer. Man unterscheidet drei Formen, die auch kombiniert auftreten können. Dranginkontinenz äussert sich Tag und Nacht durch starken Harndrang. Dieser kann in ungewollten Urinverlust münden. Eine Belastungsinkontinenz liegt vor, wenn bei körperlicher Anstrengung wie schwerem Tragen oder Niesen unkontrolliert Urin austritt. Bei der Überlaufinkontinenz kommt es zu häufigem bis ständigem unwillkürlichem Abgehen von oft kleinen Urinportionen. Mögliche Symptome sind neben Harndrang auch ein unterbrochener Urinstrahl und Restharngefühl.
Umfassendes Therapieangebot
Der Hälfte der Patientinnen und Patienten mit Belastungsinkontinenz hilft ein spezialisiertes Beckenbodentraining, wie es die Physiotherapie des KSBL vor Ort anbietet. Auch mit entsprechenden Konsumgewohnheiten – kein Koffein, ausreichend trinken – liesse sich schon etliches erreichen, erläutert Yves van Roon. Bei Belastungsinkontinenz hat sich für Frauen die minimalinvasive Schlingen-Operation bewährt, bei der zwei Bänder und ein Netz zur Unterstützung der Blase eingelegt werden. Männer mit Belastungsinkontinenz haben die Möglichkeit, ein Bändchen oder einen künstlichen Schliessmuskel (Sphinkter) implantieren zu lassen. Eine überaktive Blase kann unterschiedlich behandelt werden: medikamentös mittels Botoxinjektionen in den Blasenmuskel, durch Neuromodulation mittels ambulanter Therapie oder mittels Implantation eines Blasenschrittmachers. Für die Blasenspezialistinnen und -spezialisten des KSBL ist klar: «Wir wollen den Betroffenen die volle Kontinenz und eine gute Lebensqualität zurückgeben.» Ihr Wunsch an Betroffene: «Zögern Sie nicht, Ihre Blasenbeschwerden rasch abzuklären!»
Interdisziplinäre Sprechstunden
Urininkontinenz wird am KSBL in den interdisziplinären Sprechstunden der Frauenklinik sowie an der Klinik für Urologie behandelt. Je nach Beschwerden kümmern sich erfahrene Fachärztinnen und -ärzte aus Urologie und Urogynäkologie um die Patientinnen und Patienten.
Der Beitrag ist im Magazin «medizin aktuell», Ausgabe Nr. 8, November 2021, erschienen.

Dr. med. Stephan Kiss
Facharzt für Urologie
Leitender Arzt
Tel. +41 61 400 21 72
Mail

Dr. med. Yves van Roon
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
Leitender Arzt
Tel. +41 61 925 22 04
Mail
Kantonsspital Baselland
Urologie
T +41 (0)61 925 21 72
urologie@ksbl.ch
www.ksbl.ch/urologie